19. Juni 2013
Beginn: 20:00 Uhr
Universität zu Köln, Hörsaal 2 (Department Heilpädagogik)
Frangenheimstraße 4, 50931 Köln

Ein Vortrag von Psychoanalytiker Rainer Lemm-Hackenberg

Unsere Patienten berichten, sie fühlten sich „leer“ oder „ausgebrannt“, wir Analytiker sprechen von „Größenvorstellungen“ oder vom „Über-Ich“. Erst durch diese Bildsprache ist es uns möglich, uns mit unseren Patienten und miteinander zu verständigen. Bausteine der analytischen Theorien wie auch der diagnostischen und therapeutischen Praxis sind Metaphern. Sie verbildlichen das Unbewußte und beinhalten ein großes schöpferisches Potential.
Der Vortrag ist eine linguistisch-analytische „Tour“ durch die Theorien Sigmund Freuds und Alfred Adlers, führt uns schließlich in die alltägliche Arbeit mit unseren Patienten. Ziel dieser Arbeit ist es – in Anlehnung an die berühmten Freudschen Formeln – unseren Patienten und Klienten zu helfen, mehr „Herr im eigenen Haus zu werden“, und „wo Symptom war, wieder Metapher werden zu lassen“ (Buchholz, 1997). In diesem Sinne ist Psychoanalyse Metaphernanalyse.

Dass das Unbewusste sich in Bildern ausdrückt, ist eine Erfahrung, die viele Menschen beim morgendlichen Erwachen machen, wenn sie erstaunt die Szenen Revue passieren lassen, die sie in ihren Träumen durchlebt haben. Auch unsere Sprache ist voller bildlicher Ausdrücke, Metaphern und Analogien: So haben wir manchmal einen „Berg an Arbeit“ vor uns, gehen auf einem „steinigen Weg“ und stehen dann „am Abgrund“ – oder schweben „im siebten Himmel“. Doch wenn sich das Unbewusste und die darin konservierten Erfahrungen solche Metaphern zum Ausdruck suchen – worauf stoßen wir dann, wenn wir die Sprachbilder in Theorien ergründen?
Auf die Lebenserfahrung ihrer Autoren, sagt Rainer Lemm-Hackenberg, seines Zeichens adlerianisch ausgebildeter Psychoanalytiker, und demonstriert dies anschaulich am Beispiel der Theorien Freuds und Adlers. Beide Theorien enthielten Metaphern der Bewegung und des Raumes – die eine die Bewegung in die Tiefe eines innerpsychischen Raums hinein, die andere die Bewegung aus einer Schwäche hinauf zu Macht und Sicherheit. Und die Verschiedenheit der Metaphern spiegele die Lebensgeschichten ihrer Autoren: der eine, Freud, sei in einem undurchdringlichen Klima von Verboten, Übertritten, Enge und Zwielicht aufgewachsen, während der andere, Adler, nach einer Episode langer körperlicher Schwäche die neu gewonnene Stärke im Laufen und Springen ausgekostet habe. So lasse sich eine Entwicklungsgeschichte durch die Analyse von Metaphern verstehen – ein Prozess, der nicht anders mit Patienten in der psychoanalytischen Praxis stattfinde.
Wir danken Herrn Lemm- Hackenberg für diesen reflektierten und weitsichtigen Vortrag über die Bedeutung von Sprachbildern für zwischenmenschliches wie theoretisches Verständnis.

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