Die Interessengemeinschaft der Psychoanalyse an Universitäten (IDPAU) e.V. moniert die derzeitige gesetzeswidrige Ausgestaltung des Psychotherapiestudiums
Derzeit werden an den staatlichen Hochschulen 59 von 60 psychotherapeutischen bzw. klinischen Lehrstühlen von verhaltenstherapeutisch ausgebildeten Professor:innen besetzt. Der approbationsbegründende Studiengang Psychotherapie, der zur Ausübung im Heilberuf des/der Psychotherapeut:in qualifizieren soll, unterrichtet die Studierenden ausschließlich in Verhaltenstherapie. Gesetzlich gewünscht ist jedoch die gleichwertige Unterrichtung in allen wissenschaftlich anerkannten Verfahren, d.h. auch in gleichem Umfang in tiefenpsychologisch fundierter, in analytischer und in systemischer Psychotherapie. Wir wenden uns daher entschieden gegen eine derart einseitige und eingeengte Ausrichtung der psychotherapeutischen Lehre und Forschung, die so ausschließlich die Verhaltenstherapie langfristig in ihrer klinisch praktischen Anwendung in der psychotherapeutischen Versorgung absichert und weiterentwickelt. Es muss aber gewährleistet sein, dass die verschiedenen wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren gleichberechtigt fachkundig, d.h. durch Lehrende mit entsprechender Fachkunde, gelehrt und geprüft werden, um den Patient:innen weiter in der Versorgung zur Verfügung zu stehen.
Kritische Sichtung des Referentenentwurfs des BMG zur Änderung der Approbationsordnung und Verbesserungsvorschläge
Laut anstehender Änderung der anwendungsorientierten Parcoursprüfung sollen die Prüfungsteilnehmenden in 5 Kompetenzbereichen geprüft werden. Diese setzen besondere verfahrensspezifische Kenntnisse seitens der Prüfungskommission voraus, denn „Die therapeutischen Kompetenzen nach den Vorgaben des PsychThG und der PsychThApprO sind nicht nur als allgemeine Kompetenzen, sondern immer auch ‚verfahrensspezifisch‘ im Sinne der gesamten Breite der wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren‘ zu lehren und zu prüfen.“
Der Referentenentwurf regelt leider nicht, wie die fachkundige Lehre und Überprüfung verfahrensspezifischer Inhalte gewährleistet werden soll. Dies müsste präzisiert werden, um die Vergleichbarkeit und damit die Qualität der Prüfungen auch im Interesse des Schutzes der Patient:innen zu sichern. Der Referentenentwurf legt die Auswahl und Zusammensetzung der Prüfungskommission in den Verantwortungsbereich der Hochschule. Unseres Erachtens müsste hier durch eindeutige Vorgaben gesichert werden, dass die Prüfung erster handlungsorientierter klinischer Kompetenzen durch in den wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren ausgebildeten Hochschullehrer:innen und Dozent:innen oder durch entsprechend gleichermaßen in den Psychotherapieverfahren qualifizierten externe Expert:innen mit entsprechender Fachkunde vorzunehmen ist.
Als Studierendenverband äußern wir angesichts der anstehenden Änderungen der Approbationsordnung die Befürchtung, nicht ausreichend auf eine Befähigung als Psychotherapeut:in vorbereitet zu werden, vor allem durch:
- eine derzeit nicht eindeutig auf Verfahrensvielfalt ausgelegte Lehre, bei der verfahrensspezifisch ausgebildete Hochschullehrer:innen und Dozent:innen herangezogen würden. Dies ist unseres Erachtens unzureichend sichergestellt.
- undeutlich bis unzureichend formulierter Vorgaben in Bezug auf die Prüfung der Kompetenzbereiche in der vorgesehenen Parcoursprüfung, als auch
- durch die nicht eindeutig festgelegte Zusammensetzung der Prüfungskommission und der fachlichen Voraussetzungen der Prüfer:innen, die eine gleichmäßige fachkundige Repräsentanz der vier wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren bisher nicht sichert.
Durch nicht ausreichend qualifizierte und geprüfte Absolvent:innen sehen wir die Sicherheit von Patient:innen gefährdet. Wir beziehen uns dabei auch darauf, dass der Verordnungsgeber unterstrichen hat, dass „im Interesse der Studierenden und der Patient:innen auf eine breit angelegte psychotherapeutische Ausbildung und Befähigung vorbereitet werden muss.”
Mit dieser Stellungnahme machen wir von unserem Recht Gebrauch, an die Freiheit von Forschung und Lehre aller wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieverfahren zu appellieren. Wir bitten Sie, dafür Sorge zu tragen, dass die oben genannten Mängel in der Approbationsordnung für Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten (PsychThApprO) behoben werden. Wir fordern, dass vor allem die Verfahrensvielfalt in Lehre und Forschung sowie die fachkundige verfahrensspezifische Unterrichtung – auch im Hinblick auf Patient:innensicherheit – im neuen Studiengang Psychotherapie sichergestellt wird.
Quellen:
Leichsenring et al., (2019). Vom Sinn des Verfahrenskonzepts und der Verfahrensvielfalt – und warum das Baukasten-System in der Psychotherapie nicht funktioniert. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. https://doi.org/10.13109/zptm.2019.65.4.oa1
Graulich, K. Die Prüfung der therapeutischen Kompetenzen nach dem PsychThG und der PsychThApprO. MedR 40, 569–575 (2022). https://doi.org/10.1007/s00350-022-6248-0
Neyses, J. (2021, Juni). Reform der Psychotherapeutenausbildung. Verpflichtung und Chance für Vielfalt. https://www.wissen-schaftsmanagement.de/open-access/reform-der-psychotherapeutenausbildung. Abgerufen am 16. Januar 2023, von https://www.wissenschaftsmanagement.de/dateien/downloads-open-access/k2_wima_open_access_neyses_2021_es.pdf